Drohende Eskalation in Chiapas

Gruppe B.A.S.T.A.

Paramilitärs verantwortlich für Landraub und illegalen Handel / Regierung deckt Vorgehen / Zapatistas kündigen Widerstand an

In einem aktuellen Kommuniqué vom 10. Februar warnt die Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung (EZLN) die paramilitärische Gruppierung “Organisation zur Verteidgung der Ureinwohner- und Bauernrechte” (OPPDIC) vor weiteren Aktivitäten in den zapatistisch kontrollierten Gebieten im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas.

Die OPPDIC habe in jüngster Vergangenheit Briefe verschickt, in denen sie ganzen Familien mit Vertreibungen oder Angriffen drohte, weil diese sich geweigert hatten, sich der bewaffneten Organisation anzuschließen. Die Zapatistas werfen der OPPDIC vor, für die Ermordung von vier EinwohnerInnen des Dorfes Viejo Velasco am 13. November 2006 verantwortlich zu sein. Die Organisation ziele darauf ab, lokale Konflikte zur Eskalation zu bringen, um ein weiteres Eindringen der mexikanischen Armee in das Rebellengebiet zu rechtfertigen und so den Aufstand der Zapatistas endgültig zu zerschlagen. Des weiteren sei die OPPDIC für Landraub, die Plünderung des Lakandonischen Urwalds und für illegalen Fahrzeug- und Drogenhandel verantwortlich und erfahre direkte Unterstützung der Regierung.

Michael Chamberlin vom kirchlichen Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas aus San Cristóbal, Chiapas, erläuterte im Interview, dass die OPPDIC eine Organisation sei, die sich in den vergangenen Jahren besorgniserregend vergrössert habe: “Die OPPDIC hat ihre Wurzeln in den paramilitärischen Organisationen ‘Revolutionäre Indigene Anti-Zapatistische Bewegung’ (MIRA), ‘Frieden und Gerechtigkeit’ sowie ‘Los Chinchulines’. Sie sind für Dutzende Morde verantwortlich”. Mit einem Versprechen auf Landzuteilung würden verzweifelte Kleinbauern und -bäuerinnen in die Gruppierung gelockt. Aktuell drohe die OPPDIC nicht nur mit der Vertreibung weiterer vier Gemeinden in der Region Montes Azules, sondern auch mit offenen Angriffen auf Unterstützungsgemeinden der EZLN. “Sogar wir selbst, Aktivisten aus dem Menschenrechts- und Umweltschutzbereich, erhalten Todesdrohungen”, so Chamberlin.

In der mexikanischen Tageszeitung La Jornada vom 13. Februar wies der Chiapas-Experte Hermann Bellinghausen darauf hin, dass es direkte Verbindungen zwischen der OPPDIC und Regierungsbehörden gäbe. Der eigentliche Hintermann der Gruppe sei Pedro Chulín, einst Abgeordneter in Chiapas, heute Bundesabgeordneter für die noch immer mächtige Instituionelle Revolutionäre Partei (PRI). Chulín habe sowohl Kontakte zu lokalen Machthabern als auch zu nationalen und internationalen Unternehmen, die starkes Interesse an der territorialen Kontrolle und an der Ausbeutung des Naturressourcen der Region hätten.

Der aktuelle Gouverneur Juan Sabines von der sozialdemokratischen PRD war bis kurz vor seiner Wahl im vergangenen Jahr Mitglied der PRI und steht erklärtermassen dem aktuellen Präsidenten Mexikos, Felipe Calderón von der konservativ-neoliberalen PAN, nahe. Sabines hat bisher keinerlei Aktivität unternommen, um die Verbrechen der OPPDIC aufzuklären. Im Gegenteil, im Umfeld von Sabines und OPPDIC operieren die strikt antizapatistischen chiapanekischen Eliten, darunter auch die aggresiven Viehzüchter aus den Landkreisen Comitán, Altamirano und Ocosingo, denen er im Wahlkampf die Rückeroberung der von der EZLN besetzten Ländereien versprochen hatte.

Präsident Calderón wiederum ordnete in den vergangenen Wochen umfassende Militäroperation in Südmexiko an, um unter dem Mantel der Drogenbekämpfung ein “sicheres Investitionsklima für ausländische Unternehmen zu garantieren”, wie er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, Schweiz, erklärte. Nach Angaben der EZLN dient dies jedoch vor allem dazu, die Rebellengebiete weiter zu militarisieren. Auffällig sei auch, dass die OPPDIC aktuell vor allem in den bereits stark aufgerüsteten Gebieten operiere, was eine gemeinsame Strategie der Aufstandsbekämpfung belege.

Die soziale Situation in Chiapas ist aktuell so angespannt wie lange nicht mehr. Die Zapatisten ihrerseits zeigten sich entschlossen, notfalls auch bewaffneten Widerstand zu leisten: “Der OPDDIC, dem Señor Pedro Chulín und den Regierungsbehörden sagen wir, dass wir bereit und fähig sind, unsere Gemeinden zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass die indigenen Gesetze eingehalten werden, die dazu da sind, die Bäume und die Naturschätze der Selva Lacandona zu schützen und die Abholzung und den Handel mit Edelhölzerm sowie den Anbau, den Handel und den Konsum von Drogen zu untersagen. Wir sagen ihnen, wenn sie bereit sind, den Krieg mit diesen Mitteln von neuem aufzunehmen, wenn auch getarnt als "Auseinandersetzungen unter Indigenas", und unter dem Schutz der militaristischen Posen von Herrn Calderón, sind auch wir willens und fähig dazu. Ganz gleich wie viele Soldaten, Polizisten oder Paramilitärs kommen, wir werden die Erde, die unsere Toten bewahrt, beschützen, auch wenn es uns die Freiheit und das Leben kostet”.

LK, Gruppe B.A.S.T.A., z.Zt. Chiapas

mehr Infos

www.chiapas98.de

Kommunique der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung. Die EZLN ruft zur Teilnahme an internationalen Friedenscamps für die Verteidigung der indigenen Völker und der Natur auf.

Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung

Mexiko, 20. Februar 2007.

An die Bevölkerung von Mexiko und der Welt:

An die Andere Kampagne:

Das indigene Volk der Cucapá, das indigene Volk der Quilihua, die Otra [Andere Kampagne] in Baja California, die Volksfront Francisco Villa Independiente (UNOPII), die Partei der Kommunisten, die Arbeiter- und Sozialistengewerkschaft (UNIOS), die Junta der Guten Regierung von Los Altos, Chiapas, und durch ihre Sechste Kommission, die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung ...

Wir rufen auf:

Das Nationale Indigene Kongress, die Andere Kampagne auf beiden Seiten der Nordgrenze, die Zezta Internacional, die internationale und nationale Gesellschaft in Verteidigung der indigenen Kultur und eines Friedens mit Gerechtigkeit und Würde für die indigenen Völker, die zivilen Organisationen und die Umweltschutzgruppen der fünf Kontinente, die Bevölkerung von Mexiko und der ganzen Welt, und die alternativen Kommunikationsmedien, sich zu organisieren und direkt, oder durch Repräsentanten teilzunehmen an ...

Die Aktivitäten und Mobilisierungen für das Überleben der indigenen Völker von Mexiko, für die Respektierung der indigenen Kultur und für die Verteidigung von Mutter Natur, die in Mexiko, in den Monaten Februar, März, April und Mai 2007 stattfinden werden, unter dem Motto:

Die indigenen Völker in Verteidigung von Leben, Kultur und Natur, unten und links.

Cucapás, Quilihuas und Zapatisten, vereint in Verteidigung der indigenen Völker und Mutter Natur.

In diesen Monaten werden auf indigene Gebiete des mexikanischen Nordwestens und Südostens, zwei nationale und internationale Friedenscamps installiert werden:

Das erste, in der indigenen Gemeinde El Mayor, auf dem Gebiet des indigenen Cucapá Volkes, nahe der Stadt Mexicali, Baja California, Mexiko.

Und das zweite, im Dorf Huitepec Ocotal (II. Sektion), auf dem Gebiet des indigenen Tzotzil Volkes, nahe der Stadt San Cristóbal de las Casas, Chiapas, Mexiko.

Gleichzeitig wird in den Gebieten der Juntas der Guten Regierung eine Kampagne zum Schutz der Wälder gestartet werden, um die Abholzung und den Handel mit Edelholz zu unterbinden und die indigenen Naturschutzgesetze zu verbreiten.

In Baja California, in der indigenen Cucapá Gemeinde von El Mayor, dient der Friedenscamp dem Zweck, den Völkern der Cucapá und Quilihua in ihrem Überlebenskampf beizustehen, und ihre Geschichte und die der anderen indigenen Völker des mexikanischen Nordostens kennen zu lernen. Das Camp wird offiziell am 26. Februar 2007, um 9:30 Uhr gegründet werden, mit einer traditionellen Zeremonie der Cucapá Indigenas. Es wird von Februar durch März, April und Mai 2007, während der Fischfangsaison aufrechterhalten werden. Die Sechste Kommission der EZLN wird ab Mitte März und bis zur Beendigung der Fischfangsaison, durch eine Delegation der höchsten indigenen zapatistischen Autorität vertreten sein. Die Regeln und Bedingungen für die Teilnahme und den Aufenthalt an diesem Ort, werden vom Cucapá Volk festgelegt werden. Für dieses Camp, bitten wir alle teilnehmenden Personen ihre Unterkunft und Versorgung durch eigene Mittel zu regeln, um unter den schwierigen Lebensbedingungen der Cucapá und Quilihua nicht zur Last zu fallen. Diese Völker und andere Einheimische und Einwanderer im Nordosten unseres Landes bieten den Camp-Teilnehmern Lebensmitteln und handwerkliche Erzeugnisse zu fairen Preisen an. Die Bestimmungen für das Camp, die von den Cucapá und Quilihua Völkern erlassen werden, können dann auf der Webseite der Sechsten Kommission der EZLN

In Chiapas, auf der Anhöhe von Huitepec, nahe San Cristóbal de las Casas, in dem Naturreservat unter dem zapatistischen Schutz der Junta der Guten Regierung von Los Altos de Chiapas, dient der Friedenscamp dem Zweck eine wichtige Waldzone zu beschützen, die von der Abholzung durch Holz- und Papierkonzerne bedroht wird. Dieses Camp wird am 13. März 2007 beginnen, und wird auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten werden. Die Bestimmungen für das Camp werden zur gegebenen Zeit von der Junta der Guten Regierung von Los Altos de Chiapas bekannt gegeben, und auf der Webseite enlacezapatista.ezln.org.mx konsultiert werden können.

Wir laden die alternativen und freien Medien ein anwesend zu sein und mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten die zwei Camps miteinander zu vernetzen, und so zum Schutz der Natur und ihren ursprünglichen Wächtern, die indigenen Völker, beizutragen, sowie zur Einheit des unteren Nordwesten und Südosten Mexikos.

Wir laden die nationale und internationale Presse ein, die Lebensbedingungen und die Geschichte der indigenen Völker des nordöstlichen Mexikos aus erster Hand zu erfahren und zu verbreiten, für welche die schlechten Regierungen nur Verachtung und Vergessen übrig haben.

Freiheit und Gerechtigkeit für Atenco!

Freiheit und Gerechtigkeit für Oaxaca!

Aus den Bergen des mexikanischen Südostens:

Subcomandante Insurgente Marcos

Mexiko, Februar 2007