Wo ist Santiago Maldonado?

Polizeigewalt und Repression gegen Mapuche-Gemeinden und ihre Unterstützer*innen in Argentinien

Seit dem 1. August 2017 ist der aus der Provinz Buenos Aires stammende Santiago Maldonado „verschwunden“. Aus Solidarität hatte sich der 28-jährige Anarchist einer Besetzung der Mapuche-Gemeinde „Pu Lof en Resistencia“ in der südargentinischen Provinz Chubut angeschlossen.

Pu Lof „besetzt“ seit 2015 Land, bei dem es sich um kommunitäre Territorien der Mapuche handelt, das sich jedoch offiziell im Besitz des Unternehmens Benetton befindet. Die Gemeinde fordert die Rückgabe des Landes und beruft sich dabei auf internationale Abkommen zu den Rechten Indigener, die Argentinien unterzeichnet hat. Im Zuge des neoliberalen Ausverkaufs war Benetton zu Beginn der 90er Jahre zum größten Grundbesitzer Argentiniens aufgestiegen. Während einer Protestaktion zur Freilassung politischer Gefangener, bei der die Gemeinde Bahngleise in der Nähe der Stadt Esquel blockierte, griff die Gendarmerie die Protestierenden am 1. August brutal an. Zu diesem Zeitpunkt wurde Santiago zum letzten Mal gesehen. Zeug*innen beobachteten, wie Polizisten einen jungen Mann fesselten, schlugen und in einen Lieferwagen verfrachteten. Seitdem fehlt von Santiago jede Spur.

Nachdem das „Verschwinden“ Santiagos bekannt wurde, kam es zu Massenprotesten und zahlreichen Demonstrationen in Argentinien. Bereits am 11. August demonstrierten Zehntausende in Buenos Aires. Am 9. September versammelten sich erneut mehr als 250.000 Menschen vorm Präsidentenpalast, um gemeinsam mit Santiagos Familie den Rücktritt der Ministerin für Sicherheit, Patricia Bullrich, zu fordern. Dabei erinnerten sie zum einen an die Praxis des Verschwindenlassens während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983, in der Oppositionelle und vermeintliche politische Gegner*innen systematisch entführt, in Geheimgefängnissen interniert, gefoltert und ermordet wurden. Zum anderen machten die Protestierenden auf die zunehmende Verschlechterung der Menschenrechtslage im Land aufmerksam. Seit dem Amtsantritt des neoliberalen Präsidenten Mauricio Macri, sehen sich die sozialen Bewegungen in Argentinien verstärkter Repression und Verfolgung ausgesetzt. Die bisherige Bilanz seit Macris Amtsantritt 2015 ist der soziale Kahlschlag: Innerhalb eines Jahres waren bereits zwei Millionen Argentinier*innen unter die Armutsgrenze gefallen, die Arbeitslosigkeit ist drastisch gestiegen.

Lange leugnete die Regierung Macri das Verschwinden Santiagos und streute Gerüchte, die Mapuche selbst seien dafür verantwortlich oder der Aktivist habe sich nach Chile abgesetzt. Erst durch den Druck der Straße ließ sich die Regierung darauf ein, überhaupt Untersuchungen in die Wege zu leiten. In den großen europäischen Medien dominiert derweil die Ansicht, die argentinische Opposition instrumentalisiere den Fall angesichts der im Oktober anstehenden Kongresswahlen. Der politische Hintergrund der Auseinandersetzungen wird dabei konsequent missachtet. Die systematische Kriminalisierung aufständischer Mapuche-Gemeinden ist in Argentinien ebenso an der Tagesordnung wie in Chile. Unter dem Vorwurf des Terrorismus werden indigene Gemeinden geräumt, Protestaktionen brutal niedergeschlagen und Aktivist*innen inhaftiert. Auch das Verschwindenlassen Santiagos ist kein bedauerlicher Einzelfall von Polizeigewalt. Argentinische Menschenrechtsorganisationen kritisieren schon lange die exzessive Polizeigewalt, die sich gezielt gegen Demonstrant*innen richtet.

Dem Aufruf unserer Genoss*innen der argentinischen F.O.R.A. nachkommend, unterstützt die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union die Forderung nach dem sofortigen Auftauchen Santiago Maldonados – und zwar lebend! Zudem schließen wir uns der Forderung nach dem Ende der Gewalt und der Repression gegen die Mapuche-Gemeinden und der sofortigen Freilassung aller inhaftierter Aktivist*innen an.

¡APARICIÓN CON VIDA DE SANTIAGO MALDONADO!

Mehr Informationen zu Santiago Maldonado gibt es auf dem von seiner Familie und Freund*innen eingerichteten Blog (auf Spanisch): http://www.santiagomaldonado.com/