Aufruf zur Solidarität mit den Streikenden beim Krowarzywa Restaurant in Warschau

Ausbeutung in der Gastronomie

Egal ob Bar, Restaurant oder Cafe, die Arbeit in der Gastronomie ist nicht nur aufgrund ihrer unregelmäßigen und ständig wechselnden Arbeitszeiten körperlich höchst anstrengend, sondern zusätzlich auch noch schlecht bezahlt und findet unter prekären Bedingungen statt. Oft gibt es keinen schriftlichen Arbeitsvertrag und in einigen Fällen wird sich dann noch nicht einmal an die mündlichen Abmachungen gehalten. In der Gastronomie und bei MinjobberInnen werden noch die arbeitsrechtlichen Mindeststandards unterlaufen, d.h. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlter Urlaub, regelmäßiges Entgelt sowie schriftlicher Vertrag. Sehr oft wird sogar das Mindestlohngesetz unterwandert. In vielen Arbeitskämpfen in der Gastro geht es entsprechend um unzulässige Kündigungen, ausstehenden Lohn und Urlaub oder unbezahlte Probearbeit. In den letzten Monaten konnten die FAU-Syndikate Berlin, Dresden, Kiel und Hannover Lohnnachforderungen und auch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in gastronomischen Betrieben durchsetzen. Deshalb unterstützt die FAU die ArbeiterInnen des veganen Restaurants Krowarzywa in Warschau und ruft zur Solidarität mit den seit dem 20. Juni Streikenden auf.

Eskalation des Konfliktes in dem Restaurant Krowarzywa in Warschau

Der Streik ist die bisher letzte Stufe des bereits seit Monaten andauernden Konflikts zwischen den ArbeiterInnen und Chefs des beliebten veganen Warschauer Restaurant Krowarzywa. Der Konflikt wurde durch kürzliche Umstrukturierungsmaßnahmen des Betriebs ausgelöst. Die BesitzerInnen haben zwei neue Restaurants eröffnet, das dritte zog in ein größeres Lokal um. Allerdings hat der Erfolg des Unternehmens nicht zu besseren Arbeitsbedingungen geführt. Ganz im Gegenteil, mehr Arbeit wurde auf die ArbeiterInnen umgelegt, während die Arbeitsbedingungen und Gehälter gleich schlecht blieben. Zudem gaben die BesitzerInnen den ArbeiterInnen klar zu verstehen, dass betriebliche Entscheidungen künftig nicht mehr mit ihnen abgestimmt würden. Die Installierung von Überwachungskameras (CCTV) am Arbeitsplatz ohne die Zustimmung und das Wissen der ArbeiterInnen ist eines der Beispiele für diesen neuen Ansatz im "Human Resources" Management.

Organisation in der Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP)

Diese Enwicklungen, zusammen mit der Angst, gefeuert zu werden, führten dazu, dass die ArbeiterInnen sich am 19. Juni in der Inicjatywa Pracownicza (ArbeiterInnen-Initiative) organisierten. Das erste Gewerkschaftsmitglied wurde am selben Tag entlassen. Obwohl die Entlassung offiziell nicht von seiner Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft verursacht wurde, wurde es als ein Vorbote weiterer Entlassungen gesehen. Die Entlassung wurde ohne schriftliche Mitteilung und ohne ersichtlichen Grund durchgedrückt. Am nächsten Tag informierten die ArbeiterInnen die BesitzerInnen darüber, dass sie sich in der Gewerkschaft organisiert haben und übergaben eine Liste mit Forderungen. Neben der Wiedereinstellung ihres Kollegen fordern sie die Änderung der Gehaltsermittlung (festen Stundenlohn anstelle der bisherigen prozentualen Umsatzbeteiligung), den Abschluss von regulären Arbeitsverträgen mit allen bislang informell Beschäftigten als auch mit den ArbeiterInnen, die bisher nur "Müll-Verträge" ('umowy śmieciowe') bekommen hatten, und die Anerkennung der Gewerkschaft.

Aussperrung und Streik

Die Chefs reagierten mit Aussperrung. Die ArbeiterInnen weigerten sich, den Ort zu verlassen und besetzten den Betrieb. Ein paar Dutzend Menschen versammelten sich vor dem Restaurant und zeigten ihre Unterstützung für die Aktion. Der Fall interessierte auch die Mainstream-Medien, die eine Diskussion über die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie begannen. Angesichts des Drucks ließen sich die Eigentümer auf Verhandlungen ein. Zur gleichen Zeit legten die ArbeiterInnen in einem weiteren Restaurant der Chefs ihre Arbeit nieder. Die Verhandlungen scheiterten nach zwei Tagen. Die Chefs weigerten sich, den entlassenen Arbeiter wieder einzustellen und so die zentrale Forderung der kämpfenden ArbeiterInnen zu erfüllen. Gleichzeitig gelang es ihnen, die Belegschaft der verschiedenen Restaurants zu agitieren und zu spalten. Am dritten Tag des Protests veröffentlichten die ArbeiterInnen eines anderen Krowarzywa Restaurants in Warschau einen Brief, in dem sie sich von den Streikenden distanzieren und ihre Treue zu den Eigentümern erklären. Dies provozierte einen Streikposten mit etwa 60-70 Personen vor eben diesem Restaurant. Sie skandierten: „Solidarität ist unsere Waffe!“, „Nein zur Ausbeutung!“, „Arbeitnehmerrechte – Unsere Rechte!“, „Keine Verletzung von Arbeitnehmerrechten!“, „Unser Kampf ist eine gerechte Sache!“.

Solidarität ist unsere Waffe!

Der Streik und die Streikposten wurden von den Chefs genutzt, um die GewerkschaftlerInnen mit einer Massenkampagne in den sozialen Medien zu diffamieren. Dies führte zu einer tiefen Spaltung in der Warschauer Tierbefreiungs-Szene. Fragen über die „Angemessenheit“ der gewählten Kampfformen wurden gestellt und provozierten unterschiedliche Antworten.
Trotz der schwierigen Situation haben die MitarbeiterInnen nicht aufgegeben und ihren Protest fortgeführt. Ihr Kampf ist von großer Bedeutung, da Ausbeutung unter informellen und unwürdigen Bedingungen im Gastronomie-Sektor Polens ein weit verbreitetes Phänomen ist. Als kämpferische Gewerkschaft wollen wir als FAU den Arbeitskampf nicht nur bekannt machen, sondern rufen gemeinsam mit der polnischen Basisgewerkschaft IP zur Solidarität mit den Streikenden auf! Unsere Bedürfnisse und Interessen als ArbeiterInnen haben Vorrang - auch in der Gastronomie! Solidarität ist unsere Waffe!