Griechenland: Dringender Aufruf für internationale Solidarität!

Wir wir hier vor einigen Tagen berichten mussten, hat der griechische Staat im Zusammenhang mit dem Generalstreik vom 11. Mai 2011 eine Gewaltwelle losgetreten, der Dutzende von DemonstrantInnen zum Opfer fielen und bei der es um ein Haar ein weiteres tödliches Opfer der Polizeibrutalität gegeben hätte. Nahezu zeitgleich hat faschistisches und rassistisches Pack in Athen damit begonnen, gezielt Jagd auf MigrantInnen zu machen und Hand in Hand mit der Polizei besetzte Wohnprojekte anzugreifen. Vor diesem Hintergrund erreichte uns ein Aufruf griechischer Libertärer, der in drastischer Weise den sozialen Verfall in Folge der kapitalistischen Krisenangriffe schildert und die Bitte um internationale Unterstützung und Solidarität einschließt.

Genossen und Genossinnen,

Die Absicht dieser Mitteilung ist es, euch kurz darüber zu informieren, was in den letzten Tage in unserem Land geschah. Außerdem möchten wir an alle AnarchistInnen weltweit einen internationalen Solidaritätsaufruf richten.

Griechenland ist derzeit an einem kritischen Wendepunkt angelangt. Viele kritische Veränderungen finden auf gesellschaftlicher sowie politischer und wirtschaftlicher Ebene statt. Die Zersetzung und Auflösung eines bislang herrschenden Modells von Macht und Ausbeutung ist mehr als offensichtlich, So ist definiert, was allgemein „Krise“ genannt wird.

Was wir jetzt erfahren, ist das vollständige Scheitern eines Systems, das nicht mehr länger in der Lage ist, den gesellschaftlichen Grundkonsens sicher zu stellen und deshalb einen bedingungslosen Frontalangriff, ohne die typischen offiziellen Erklärungen, erleidet.

Zunächst - zu Beginn dieser Situation, die „Krise“ genannt wurde - bezog sich der Angriff auf die materialistischen Bedingungen. Hierunter fallen z.B. die Entwertung der Arbeit, horizontale Lohnsenkungen, „Flexibilisierung“ der Arbeitsbedingungen, die Institutionalisierung der Unsicherheit, der Preisanstieg bei Konsumgütern und öffentlichen Dienstleistungen sowie Kürzungen bei der Sozialhilfe. Begleitet wird das von der Privatisierung öffentlichen Vermögens, einer ausgedehnten Polizeipräsenz auf den Straßen, den Auktionen, sowie der Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Außerdem wurde eine beispiellose Propagandattacke lanciert. Die durch Staat und Kapital kontrollierten Massenmedien entfachten eine atemberaubende Zahl von Katastrophenmeldungen und Desasterszenarien und produzieren im Rahmen ihrer Berichterstattung ständig neue „Meilensteine“ in der Art eines „Wenn die Troika nicht die nächste Ratenzahlung der Schulden zustimmt, werden wir auseinanderfallen...“ Mit diesen Strategien, schafft es die Kommunikationsabteilung der Macht, kontinuierlich einen Zustand von Terror aufrechtzuerhalten, der die Lähmung der Gesellschaft durch Erpressung bewirkt.

Für einen Teil der griechischen Gesellschaft und des Proletariats hat der Widerstand jedoch niemals aufgehört zu existieren. Von Zeit zu Zeit finden in unterschiedlicher Intensität Generalstreiks statt, an denen sich Menschen beteiligen, die aktiv Widerstand leisten und ihren Willen ausdrücken, gegen die ihnen von Staat und Kapital auferlegten Zustände zu kämpfen.

Auf der Generalstreiksdemo am 11. Mai in Athen marschierten abermals Tausende und verliehen ihrer Opposition gegenüber den unsozialen Maßnahmen des griechischen Staates ihre Stimme, die in erster Linie die ArbeiterInnen und ärmere Mehrheit der Bevölkerung treffen. Während der größte Teil der Protestierenden am Parlament vorbeigezogen und bereits wieder auf dem Rückweg war, griffen die Bullen, ohne provoziert worden zu sein mit sehr großer Brutalität die radikalsten Demoblöcke, die der AnarchistInnen und Antiautoritären, Nachbarschaftsversammlungen, Basisgewerkschaften und außerparlamentarischer Linke an. Sie schlugen mit beispielloser Rohheit zu und feuerten Unmengen von Tränengas, bis diese Blöcke aufgelöst waren. Mehr als einhundert DemonstrantInnen mussten ins Krankenhaus gebracht werden, einige mussten operiert werden.

Unser Genosse Yannis ist derjenige unter ihnen, der sich im Augenblick im kritischsten Gesundheitszustand befindet. Er hatte einen mörderischen Angriff durch die Bullen erlitten, der ein schweres Kopftrauma zur Folge hatte,. Laut einem später veröffentlichen Bericht wurde Yannis im Zustand des Antimortem (Stadium vor dem Tod) ins Krankenhaus gebracht. Nach Feststellung der Ärzte musst er aufgrund des Umfangs der inneren Blutungen im Kopf sofort operiert werden, er befindet sich seitdem auf der Intensivstation. Sein Zustand ist immer noch kritisch, aber stabil.

Es ist offensichtlich, dass diese mörderischen Angriffe gegen Demonstranten am Mittwoch, den 11. Mai den einzigen Zweck hatten, all die einzuschüchtern, die gegen die Angriffe von Staat und Kapital Widerstand leisten. Ziel war die Unterwerfung der Leute mit der Botschaft: „Bleibt zu hause, ruhig und diszipliniert.“

An dieser Methode der Herrschenden beteiligen sich immer mehr Rechtsextreme und ihre parastaatlichen Ableger. Der Ausbruch rassistischer Gewalt vervielfacht sich über das ganze Land und erreichte letzte Woche, angesichts eines kaltblütigen Mordes an einen Bewohner im Zentrum von Athen einen Höhepunkt. Viele MigrantInnen wurden zum Ziel, ein Pogrom gegen MigrantInnen wurde entfacht. Gruppen von Faschisten, Rassisten und Anhängern der extremen Rechten griffen Migranten an, verletzten mehrere, sie verursachten wahrscheinlich sogar den Tod eines Flüchtlings. Gleichzeitig griffen Neonazis an der Seite der Polizei auch besetzte Häuser in der Innenstadt Athens an. Das führte dazu, dass wir AnarchistInnen uns selbst unter Lebensgefahr gegen Polizei und faschistische Brutalität verteidigen mussten.

Der Ernst der Situation ist deutlich. Seitdem die Gesellschaft einen beispiellosen Angriff auf ihre materiellen Grundlagen erleidet, befindet sich die anarchistische Community - als einer der radikalsten Teile des Widerstands - unter polizeilicher und faschistischer Attacke (im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man die mörderische rasende Wut dieser Angriffe betrachtet).

Da ist der Grund, warum wir dringend zur internationalen Solidarität aufrufen!

Solidarität war immer eine der besonderen Werte von AnarchistInnen. Wir zählen immer auf Solidarität zur Unterstützung unsere Kampfes, der sich gegen die von der Staatsmacht geförderte Isolation und die Gefahr eines Rückzugs ins private Leben sowie die kapitalistischen Zustände von Vereinzelung und den Abbau der kollektiven Idee richtet.

Jetzt, wo die griechische Gesellschaft und das Proletariat eine beispiellose Verschlechterung der Lebensbedingung erleidet. Jetzt, wo AnarchistInnen sich einer Unterdrückung ausgesetzt sehen, die Dimensionen versuchten Mordes annimmt. Jetzt, wo das anarchistische, politische Umfeld im Visier von staatlicher Gewalt und faschistischer Gefahr steht, rufen wir alle unsere GenossInnen in der ganzen Welt zu Aktionen auf und wir bitten darum, solidarisch zu unserem Kampf zu stehen: durch Organisation von Veranstaltungen, Demonstrationen, Märschen, Protesten, dem Verfassen von Texten, durch Worte und Aktionen, durch alles, was die GenossInnen für am angebrachtesten halten, durch jeden möglichen Ausdruck der revolutionären Solidarität, den nur AnarchistInnen kennen und demonstrieren wollen - vitalisiert unseren Geist und stärkt unsere Kämpfe.

Solidarische Grüße,
Libertär-kommunistische Gruppe (Athen)
Eutopia – Beiträge für einen libertären Kommunalismus

Weiterführende Informationen

Websites mit Infos zur aktuellen Lage in Griechenland:

de.contrainfo.espiv.net
www.occupiedlondon.org
athens.indymedia.org

Videos und Bildern von Polizeiangriffen auf DemonstrationInnen

Video 1
Video 2
Video 3
Video 4

Videos und Fotos von Angriffen auf MigrantInnen durch Faschisten und Polizei

Video Zusammenarbeit Polizisten und Faschisten
Demonstration for stabbed Greek turns into riots and racist acts