Für eine Hand voll Dollar?

Im Berliner Kino Babylon Mitte kämpft die Belegschaft um bessere Arbeitsbedingungen - aus der DA 192

Kino bedeutet Glanz, Kino bedeutet Glamour, Kino bedeutet Traumfabrik und roter Teppich. Insbesondere während der Berlinale gibt sich die Hauptstadt ganz diesem Flair hin. Zwischen Premieren und Berlinale-Parties schwirren Stars und Sternchen hin und her. Die Stadt gibt sich mondän.
Großes Kino boten dieses Jahr auch einige derjenigen, die sonst nur hinter den Kulissen zu finden sind. Filmvorführer, Kartenabreisser, Servicekräfte und Unterstützer zogen vor das Kino Babylon, um ihrem Unmut über die Arbeitsbedingungen in dem Traditionshaus am Rosa-Luxemburg-Platz lautstark Gehör zu verschaffen. Aufgerufen hatte die sich vor kurzem gegründete FAU Betriebsgruppe.

Bereits seit einigen Monaten gärte es im Filmtheater, das mit mehreren hunderttausend Euro pro Jahr vom rot-roten Senat gefördert wird (439.900 Euro laut letztem veröffentlichen Jahresabschluss 2006).

"Miserable Löhne, unbegründete Kündigungen und eine Atmosphäre, in der keiner, der seinen Job behalten will, es wagt um Urlaub zu bitten, prägen das Arbeitsklima.", heißt es in einer Pressemitteilung des Betriebsrates.

Erstes Aufbegehren gab es im Sommer letzten Jahres, als eine Servicekraft vor Gericht einen Vergleich nach einer unbegründeten Kündigung erreichte (siehe DA #183). Der Versuch, durch die Gründung eines Betriebsrates Ende November das Klima im Betrieb zu verbessern, stieß bei der Geschäftsleitung auf wenig Gegenliebe: dem Vorsitzenden wurde die Erstellung der Schichtpläne entzogen und ein weiteres Mitglied vom Service zum Sortieren von Plakaten in den Keller abkommandiert. Einem Dritten wurde der Vertrag nicht verlängert. Alles normale Vorgänge, wie es in einer von der Geschäftsleitung herausgegebenen Gegendarstellung heißt. Wer allerdings gewerkschaftlich aktiv ist, mag sich darüber sein eigenes Bild machen können.

Doch ist es nicht nur der Betriebsrat, der unter den Bedingungen im Babylon zu leiden hat. Die Mehrheit der Beschäftigten erhält entgegen der Nachweispflicht des Arbeitgebers keine schriftlichen Verträge. Einstellungen erfolgen in der Regel auf prekärer Basis: befristet und/oder Minijobs. Auch der Stundenlohn von 8 Euro/Stunde für Vorführer und 5,50 - 6 Euro für Kartenabreisser und Kasse erscheinen eher mager. "Branchenüblich" heißt es dazu von der Geschäftsleitung, die ihr Kino gerne als "non-profit" Unternehmen darstellt und zu Buche gibt, "gesetzliche und menschliche Mindeststandards" einzuhalten.

Branchenüblichkeit hin oder her: "non-profit" arbeiten bei dieser Ausgangslage wohl eher die Beschäftigten. Vor allem, wenn man bedenkt, dass selbst die immer noch mageren Tarife der Kinobranche weit darüber liegen. Auch stellt sich die Frage, was "gesetzliche" und vor allem die weitaus relativer zu sehenden "menschlichen Mindeststandards" mit einem Arbeitskampf als solchem zu tun haben sollen. Von Luft und Liebe kann sich niemand ernähren, selbst wenn es sich dabei um die Liebe zum Kino handelt.
Die Betriebsgruppe der FAU konterte daraufhin mit ihren eigenen Mindeststandards und forderte für die Zeit der Berlinale in einem ersten Schritt wegen Mehrbelastung einen Stundenlohn von 16 Euro/Stunde für Vorführer und 12 Euro/Stunde für Service und Kasse. Diese Forderungen blieben ohne Reaktion. Stattdessen antwortete die Geschäftsführung des Babylon kurz vor der Kundgebung auf eine Pressemitteilung der Betriebsgruppe mit der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Bestimmte Äußerungen zu den Arbeitsbedingungen im Kino sollten somit nicht getätigt werden. Ärgerlich für die Chefs Timothy Grossman und Tobias Hackel, dass die FAU Berlin sich davon nicht einschüchtern ließ und die Kundgebung wie geplant stattfand.

Unbelehrbar versuchen sie nun einem FAU Mitglied zu kündigen und sich anderer unliebsamer Beschäftigter zu entledigen. Der Versuch, sich eine handzahme Belegschaft zu basteln, wird ihnen allerdings ebenso wenig gelingen, wie den Konflikt um bessere Arbeitsbedingungen auszusitzen. Die FAU Berlin und die Betriebsgruppe werden in nächster Zeit den Druck erhöhen und zu härteren Arbeitskampfmitteln greifen. "...die eigentliche Auseinandersetzung um die Arbeitsbedingungen im Babylon beginnt für uns erst jetzt." heißt es in einer Pressemitteilung der FAU Berlin.

Lars Röhm / Hansi Oostinga

Aktuelle Infos zum Konflikt: prekba.blogsport.de