Interview der SolFed-IWA mit einem Genossen der USI-AIT

Einen Teil des letzten Jahres hatte der South London-Zweig von SolFed den Genossen Cesare von der Unione Sindicale Italiana (USI) zu Gast, der italienischen Sektion unserer Internationalen. Vor seiner Rückkehr nach Italien nutzten wir die Gelegenheit zu einem Interview über die USI und den Stand der ArbeiterInnenorganisation in Italien.

Wie stark ist die USI und wie unterteilt sie sich nach Regionen und Branchen?

Cesare: Wir haben um die 1000 zahlende Mitglieder, und noch einmal um die 500 die mit den Zahlungen im Verzug sind. Wir sind in Norditalien ansässig, hauptsächlich in der Lombardei und in der Emilia. Auf unserem letzten Kongress schlossen sich neue Sektionen an aus Genua, ArbeiterInnen von Fiat aus Portense, und im Gesundheitswesen Beschäftigte aus der Toskana.
Probleme haben wir im Süden, da es nur Sektionen in Portense und Napoli gibt, sowie verstreute einzelne Mitglieder. Im Norden befindet sich die meiste Arbeit, während der Süden sehr arm ist und eine hohe Arbeitslosenrate aufweist.

Unsere Anziehungskraft bezieht sich aus der Tatsache dass wir föderalistisch sind; dies zieht neue Sektionen nach sich. Manchmal haben sie sich von den Cobas (Confederazione dei Comitati die Base = Konföderation der Basisgewerkschaften) abgespalten, denn wir bieten jeder Sektion Autonomie an und sind keine zentralistische Organisation.

Unsere landesweit größte Gewerkschaft ist im Gesundheitswesen; ausserdem gibt es Gewerkschaften bei der Post, in lokalen Räten, in der Erziehung und im Maschinenbau. Zusätzlich gibt es noch eine kleine nationale Gewerkschaft die in der Landarbeit Beschäftigte mit im Einzelhandel Beschäftigten vereint, z. B. aus einem Bioladen in Milano.
Die meisten der Mitgliedschaften sind im öffentlichen Sektor, da es sehr schwierig ist Leute im Privatsektor zu organisieren. Es gibt einen starken kooperativen Sektor, in dem wir uns auch organisieren. Die Kooperativen beschäftigen oft Menschen die nicht Mitglied der Kooperativen sind, also als "normale" ArbeiterInnen zählen.

Wie ist die USI in den letzten 20 Jahren gewachsen?

Cesare: 1991 hatte die USI mit 2 der Cobas zum Streik gegen den ersten Golfkrieg aufgerufen. Dies war das erste mal dass von keiner der großen reformistischen Gewerkschaften zu einem Streik aufgerufen wurde. Dies zeigte das wir eine Gewerkschaft, und keine bloße Propaganda-Gruppe waren. Aus diesem Streik resultierte dass sich die Gewerkschaft des Gesundheitswesens aus Milano anschloss. Meine Sektion schloss sich 1994 an, weil die USI die einzige Gewerkschaft war die föderalistisch organisiert ist. Der Unterschied zwischen der USI und anderen Gewerkschaften ist ein interner: uns geht es um Föderalismus und Autonomie.

Seit der Spaltung 1994 sind wir gewachsen, da die Menschen uns als die wahre USI sehen.
Nach der Spaltung ist nur eine Gewerkschaft landesweit übriggeblieben, die bei der Post organisierte. Wir mussten uns unsere Glaubwürdigkeit durch Aktivitäten am Arbeitsplatz wieder erkämpfen. Zum Beispiel ist die Sektion am San Rafaele Hospital in Milano die mitgliederstärkste, obwohl sie erst vor 2-3 Jahren gegründet wurde.
Die anarchistische Bewegung hat in den letzten 2-3 Jahren entschieden dass wir die wahre USI sind, zum Beispiel haben sich in Genua und Parma Mitglieder der FAI (Federazione Anarchica Italiana) angeschlossen. Auf unserem nächsten Kongress werden wir darüber diskutieren die Gewerkschaft an Orten, wo wir noch nicht vertreten sind, aufzubauen, und so von den Erfahrungen der spanischen CNT lernen.

Wie verhaltet ihr euch gegenüber anderen Gewerkschaften?

Cesare: Es gibt 4 große reformistische Gewerkschaften die über alles entscheiden. Die Bosse ziehen es vor mit ihnen zu verhandeln. Zum Beispiel verhandeln die Bosse am Flughafen von Milano, wo es um den Verkauf von Alitalia geht, mit den großen Gewerkschaften, obwohl die Mehrheit der dort Arbeitenden in alternativen Gewerkschaften organisiert ist.
Es gibt sieben oder acht Cobas; jede davon hat eine unterschiedliche politische Position, abhängig davon welche linke Gruppierung sie gegründet hat. Die größte alternative Gewerkschaft ist die CUB (Confederazione Unitaria di Base - Vereinigte Basis-Gewerkschaft), aber die steht der Rifondiazone Comunista, der reformierten Kommunistischen Partei, nahe.
Es gibt keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen Cobas, aber ihre politischen Differenzen machen es ihnen schwer gemeinsam vorzugehen.

Die USI ist in einer ähnlichen Position wie die Cobas, aber sie ist die einzige Gewerkschaft die Wert auf den Föderalismus und die Autonomie ihrer Sektionen legt, und intern deutlich anders organisiert ist. Es kann sehr schwierig sein Veränderungen im Nationalen Sekretariat der Cobas durchzuführen -eine davon hat seit 20 Jahren den selben Typen- obwohl sie libertär sind. Die USI hat manchmal Schwierigkeiten Aufgaben rotierend zu vergeben, aber wenigstens versuchen wir Mandate regelmässig zu ändern.
ArbeiterInnen, nicht Bürokraten, sollten eine Gewerkschaft leiten.

Wie arbeiten diese, und was ist der Unterschied zur USI?

Cesare: Die Leute in Rom sind besser in der Pressearbeit, dem Internet, usw. Sie benutzen den Namen USI-AIT um ausländischen LeserInnen vorzugaukeln sie wären Teil der Internationalen ArbeiterInnen Assoziation, obwohl ihre Initialen in Italienisch "AIL" sind. Es hat Zeiten gegeben wo wir zu einem Streik aufgerufen haben, und sie haben der Regierung geschrieben die USI würde nicht streiken. Dies ist im Bildungswesen geschehen, wo ein Hausmeister kam und unseren Mitgliedern davon erzählte, um so ihre Arbeit zu unterminieren. Manchmal benutzen die Cobas die USI-Rom für dieselben Zwecke. Es gab einen Vorschlag auf unserem Kongress angesichts dieser Aktivitäten unseren Namen zu ändern, aber unsere Geschichte ist uns wichtig, und ich glaube nicht dass er angenommen wird. Wir hatten auch schon erwogen dies gerichtlich zu klären, aber dies müsste in Rom geschehen, wo wir keine Sektion haben. USI-Rom möchte den Namen wegen der historischen Glaubwürdigkeit, doch ihre Handlungen widersprechen dieser Behauptung. Zum Beispiel behaupten sie anarchistisch zu sein, aber geben eine Wahlempfehlung für die Rifondazione ab.

Wie ist die Einstellung der USI zur Maschinerie des italienischen Staats und der Betriebsverfassung?

Cesare: Die RSUs (Rappresetanze Sindacali Untitarie - Vereinigte Gewerkschafts-Vertretung) sind gegen die Interessen der ArbeiterInnen. Ihnen geht es um Beschwichtigung. Die RSU gibt Gewerkschaften Rechte, wie Betriebszeiten für Repräsentanten, Versammlungen während der Arbeitszeit, und die Möglichkeit Versammlungen mit ihrem Boss einzuberufen. Wir haben so etwas nicht, also müssen wir dafür streiken es zu bekommen. Im Privatsektor wird den reformistischen Gewerkschaften ein Drittel aller Sitze in den RSUs garantiert, unabhängig davon ob sie in dieser Branche überhaupt Mitglieder haben.

Unser Anspruch war, aufgrund unseres Föderalismus, das Verhältnis zu den RSUs den einzelnen Sektionen zu überlassen. Die meisten unserer Sektionen haben die RSU verlassen und ich denke, die paar die sie noch nutzen, werden sie im nächsten Zyklus auch verlassen. Dies ist bloße Bürokratie - in der Postfiliale in meiner Stadt hat es in drei Jahren ein Treffen der RSU gegeben.

Der Vorteil dieser Methode ist dass die ArbeiterInnen für sich selbst entscheiden, anstatt eines nationalen Kongresses.

Die Gewerkschaft des Gesundheitswesens war in der RSU bevor sie sich anschlossen. Die alternativen Gewerkschaften bemessen ihre Größe anhand der Stimmen die sie in den Wahlen der RSU bekommen; wir sind die einzige Gewerkschaft die sie kritisiert.

Hat die USI Propaganda gegen die RSUs betrieben?

Cesare: Nicht dass ich davon wüsste. Die kleineren Sektionen die nur Propaganda-Gruppen sind mögen es tun, aber allgemein finden wir es schwer Propaganda zu betreiben.

Wie sind eure Beziehungen zu anarchistischen Organisationen?

Cesare: Die meisten italienischen AnarchistInnen schließen sich Malatesta's Ansicht an dass alle Gewerkschaften reformistisch sind, und verteilen sich über alle Gewerkschaften. Zum Beispiel hat die Federazione di Comunisti Anarchici (FdCA) Mitglieder in der CGIL (Confederazione Generale Italiana del Lavoro - Italienische Allgemeine Arbeiter-Konföderation, eine der großen 4), und Cobas.

Der Nationale Sekretär des Bildungswesens in der CUB ist in der FAI; der Nationale Sekretär von Unicobas ist ein Anarchist. Unicobas gibt ein Magazin heraus das sich Socialismo Libertario nennt, aber seine Struktur spiegelt das nicht wider. Es wird nicht viel über Gewerkschaften in der anarchistischen Bewegung reflektiert, und nicht zwischen den Gewerkschaften differenziert. Dies hat sich erst vor kurzem geändert, seitdem die USI mit Föderalismus und Autonomie zeigt, wie man es anders machen kann. Und seitdem sich jüngere ArbeiterInnen dafür interessieren.

In meiner Stadt gibt es eine Gruppe junger ArbeiterInnen die sich möglicherweise irgendwann anschließen werden, weil wir in praktischen Fragen an sie herangetreten sind und Prinzipien vertreten. Ich bin der einzige Anarchist in meiner Sektion wo ich arbeite.

Was für Fragen werden auf euch zukommen?

Cesare: Unser nächster Kongress wird über das Streikgesetz debattieren, das schwieriger geworden ist, besonders im öffentlichen Sektor. Zum Beispiel haben vor kurzem die Busfahrer in Milano gestreikt, aber ihre alternative Gewerkschaft ist ihnen in den Rücken gefallen indem sie abstritt, dazu aufgerufen zu haben, und sie wurden mit Bußgeldern bestraft. Außerdem diskutieren wir über unsere Identität als Gewerkschaft, statt eine Propaganda-Gruppe zu sein.

Übersetzt von: M. K. Noche, FAU-IAA